Der Nachbericht zum Diskurs mit der Frage:
Was müssen wir wissen, wem sollen wir glauben?

Wo „Fake“ Zentralbegriff des öffentlichen Diskurses geworden ist, hat Wahrheit einen schweren Stand. „Gefühltes Wissen“ spielt heute eine massive Rolle. Das zeigt sich beispielsweise an Themen wie Globalisierung, Migration und Klimawandel. Fragwürdige Publikationspraktiken und das zunehmende Verschwinden der Grenze zwischen Politik und Wissenschaft lässt das Vertrauen an den Wahrheitsgehalt wissenschaftlicher Ergebnisse sinken.

Es scheint offensichtlich, dass Bildung in diesem Kontext eine zentrale Bedeutung zukommt. Wahrheit und Fake auseinander zu halten, die Unüberschaubarkeiten und Ungewissheiten der Gegenwart zu tolerieren, Kritik zu üben und auszuhalten – diese Kompetenzen sind zentral für eine gute Entwicklung der Gesellschaft. Medien spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Wovon will sich die Gesellschaft leiten lassen? Von Fakten? Von Emotionen? Wem glauben wir? Und was wirkt gegen Unwissenheit? Mit diesen Fragen haben wir uns am 
28. Oktober beim gesellschaftspolitischen Diskurs in der Voestalpine Stahlwelt in Linz auseinandergesetzt.

Das waren die Diskurse am Tisch

Auch dieses Mal boten drei ExpertInnen den Diskutantinnen und Diskutanten mit kurzen Impulsvorträgen eine Basis für den Austausch an den Tischen.

Robert Pfaller, Professor für Philosophie und Kulturtheorie an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, wandte sich in Form einer Videobotschaft an das Publikum. Er rief dazu auf, im Auge zu behalten, dass die Wissenschaft von unterschiedlichen Interessen bestimmt werde. Man dürfe schon alleine deswegen nicht alles glauben, was als „Wissen“ präsentiert werde.

Josef Barth, Kommunikationsexperte und Bürgerrechtler mit Fokus auf politischer und staatlicher Transparenz – sowie Mitglied des Österreichischen PR-Ethik-Rates hielt fest, dass das Problem nicht darin liege, dass wir heute weniger glauben können. Viel problematischer erscheint ihm der Umstand, dass wir “das, was wir glauben können, nicht glauben wollen”.

Claudia Schwarz, Geschäftsführerin des Think Tanks Academia Superior, stimmte dem zu. Auch sie kritisierte, dass viel zu viele Fragen heute Glaubensfragen statt Wissensfragen seien. Um eine realistische Zukunftsvision zu kreieren, müsse man sich allerdings mit konkreten Szenarien auseinandersetzen und diesen mit Wissen begegnen.

In den Kleingruppen an den Tischen war man sich über die Notwendigkeit von Institutionen sowie über die Bedeutung von Kompromissbereitschaft und Rechtsstaatlichkeit als Grundlage einer funktionierenden Gemeinschaft einig. In der Frage, ob man an eine liberale Demokratie glauben kann oder ob diese nur eine weitere Episode in der Geschichte darstellen wird, waren die Ansichten zwischen den älteren und den jüngeren Teilnehmern allerdings geteilt.

Das waren die Kontroversen am Podium

Unter der Moderation von Nachhaltigkeitsexperten Fred Luks konnte die Diskussion am Abend von ExpertInnen unterschiedlicher Disziplinen fortgesetzt werden. 

Clemens Malina-Altzinger, Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung, WKOÖ-Vizepräsident, und Vorstandsmitglied der Reform-Werke Bauer & Co Holding AG, konstatierte, dass die Komplexität der Themen in unserer Gesellschaft zunehme. „Fake News“ habe es immer schon gegeben, allerdings seien die Strukturen heute transparenter, wodurch sich Unwahrheiten weniger gut verstecken ließen. Im Bildungsbereich sei es vor allem wichtig, zu lernen in die Tiefe zu gehen und sich Wissen zu erarbeiten.

Michael Fleischhacker, Chefredakteur und Herausgeber von Addendum, Gründungsmitglied von Quo Vadis Veritas und Moderator des Talk im Hangar-7 auf Servus TV, räumte mit dem Mythos der uninformierten Gesellschaft auf. Menschen, die heute ihre Informationen primär über soziale Netzwerke beziehen, würden vielfältigere Medien konsumieren als die „Informationselite“ der 60er Jahre, die meist eine Tageszeitung abonniert und sich auf Grundlage dessen ihr Bild gemacht hätte. Auch in Bezug auf die Verbreitung von Nachrichten habe sich vieles geändert. Heute könne jeder und jede Informationen verbreiten – dabei wäre die Trennung von Fakten und Meinungen nicht immer klar.

Alfred Klampfer, oberösterreichischer Bildungsdirektor stellte fest, dass es in Bezug auf Bildung und Wissen vor allem ein Problem gäbe: Menschen die heute in Österreich geboren werden, müssen auf eine Zukunft vorbereitet werden, die wir (noch) nicht kennen. Das österreichische Bildungssystem müsse sich vor allem der Herausforderung stellen, die nächste Generation mit Fähigkeiten auszustatten, mit Hilfe derer sie in Zukunft gut reüssieren können. Es ginge also nicht nur alleine um das Wissen, so Klampfer, sondern auch darum, wie man dieses Wissen umsetze – also in Kompetenzen umwandele.

Martina Mara, Professorin für Roboterpsychologie am Linz Institute of Technology (LIT) der JKU Linz bemerkte zu sozialen Medien, dass diese oft Spiegel seien, die die Welt durchaus so zeigten, wie sie sich auch in Wirklich darstelle. Die Gefahr bestünde darin, dass diese Medien als Katalysator für Negatives fungieren können. Die Zukunft der neuen Technologien liege vor allem in missionsgetriebener Forschung und Entwicklung. Damit Fakten mehr Bedeutung beigemessen werde, müsse man sie in eine Narrative einbetten. Würden Fakten mit Emotionen verknüpft, würden sie eher gehört werden, so Mara weiter.

Robert Pfaller, Professor für Philosophie und Kulturtheorie an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz, der nach seiner Videobotschaft am Nachmittag abends auch physisch anwesend war, warf ein, dass sich Verzerrungen der Wahrheit nicht immer dort zeigten, wo sie entstehen. Meist zeigten sich Verzerrungen dort, wo das zu Grunde liegende Problem gar nicht mehr so groß sei, oder auch dort, wo sie ablenken sollen. Bekämpft werden müsse das Problem aber an einer anderen Stelle, so Pfaller. Übertriebene Empfindlichkeit in Bezug auf andere Meinungen sei gefährlich. Politische Korrektheit dürfe keine Diskussionen befeuern, die vom eigentlichen Problem ablenken.

Den Live-Stream zu den Impulsvorträgen vor den “Diskursen am Tisch” sowie die gesamte “Kontroverse am Podium” können Sie auf Facebook nachsehen.

Impressionen

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