Demokratie, aber wie?
Der Nachbericht zum Diskurs mit der Frage:
Ist unsere Demokratie in der Krise?

Demokratie ist gut für die Gesundheit. Dies hat eine umfassende Studie in 170 Ländern ergeben. Demokratien seien nicht nur tendenziell reicher. Der „Demokratieeffekt“ sei weitaus stärker als jeder BIP-Effekt. Die Studie kommt zu einer Zeit, in der die Demokratie und ihre Institutionen vielleicht wie nie zuvor in Frage gestellt werden und in der der Populismus von Desillusionierung in weiten Teilen der demokratischen Welt zeugt.

Ist unsere Demokratie in der Krise? Und ist sie überhaupt die beste Regierungsform in Zeiten des sich beschleunigenden Wandels? Mit diesen und anderen Fragen war der vierte gesellschaftspolitische Diskurs am 3. September 2019 Teil des FAQ Bregenzerwald Festivals.

Das waren die Diskurse am Tisch

Darüber wie man die Demokratie in Zukunft gestalten muss und soll, haben wir uns im Lokal Jöslar in Andelsbuch unterhalten. Stoff für die Diskurse am Tisch lieferten die Impulsvorträge dreier ExpertInnen.

Christoph Konrath, Jurist und Politikwissenschaftler in der Parlamentsdirektion und Gründer der Plattform www.unsereverfassung.at , sprach über die Wechselwirkung von Demokratie als Herrschaft des Volkes und des Rechtsstaats. Demokratie müsse letztlich von allen Bürgern gut verstanden werden, dazu brauche es eine starke und kontinuierliche Förderung demokratischer Bildung und Kultur und anerkannte und verlässliche Institutionen.

Kathrin Stainer-Hämmerle, Politik- und Rechtswissenschaftlerin und Professorin an der FH Kärnten in Villach, stellte die These auf, dass unsere Gesellschaft eine neue gemeinsame Basis für das Tragen und Anerkennen von Entscheidungen, die die Gemeinschaft betreffen, brauche, die eventuell nicht die eigenen Interessen oder Werte spiegeln. Für die Zukunft brauche es mehr gemeinsame Räume zur Auseinandersetzung zu diesen Fragen und das Erlernen von Verhandlungsprozessen.

„Am menschlichen Faktor wird sich das Gelingen Europas entscheiden“, so Verena Ringler, Leiterin der europäischen Projektboutique European Commons. Sie forderte Voraussetzungen und Strukturen für diejenigen, die handeln wollen. Diese Menschen verdienen Ermutiger und Türöffner statt Bedenkenträger, Startrampen statt Hürdenläufen und jene Aufmerksamkeit die es für Gesellschaftliche Entwicklung wirklich braucht.

Vor Beginn der Diskussionen an den Tischen legte Katrin Stainer-Hämmerle den Teilnehmern noch folgendes ans Herz: Wenn Sie über Politik sprechen, meinen Sie oft Demokratie, aber es ist nicht dasselbe. Politik lässt sich nicht abschaffen, Demokratie aber sehr wohl.“

An den Tischen war man sich darüber einig, dass die Sensibilisierung für Fragen der Demokratie auf individueller Ebene stattfinden müsse. Erreichen könne man das eventuell durch Anreize oder sogar Belohnungen für Bürgerinnen und Bürger, die sich aktiv beteiligen. Die Fragen, wie man Menschen, die gute und innovative Ideen haben, stärker in demokratische Prozesse einbinden kann – und welche Ideen zur Umsetzung als gut und innovativ zu bewerten sind – sorgten für lebhafte Diskussionen. Ein guter Mix partizipativer und direkter Demokratie-Elemente für bestimmte Fragestellungen auf verschiedenen politischen Ebenen würde helfen, die demokratiepolitische Kultur zur stärken.

Das war die Kontroverse am Podium

Im Schauraum Mohr Polster diskutierte anschließend ein hochkarätig besetztes Podium unter der Moderation von Kurier–Korrespondent Christian Willim mit über 100 Gästen darüber, ob sich unsere Demokratie in einer Krise befindet und was zur Weiterentwicklung getan werden könne.

„In Demokratien werden nicht automatisch Demokraten geboren“, so Kathrin Stainer-Hämmerle. Zur Stärkung der Demokratie forderte sie vor allem gute politische Bildung in Schulen, aber auch für Erwachsene.

Dem stimmte Elisabeth Aicher, Studierende an der Universität St. Gallen und ehemalige AHS-Landesschulsprecherin in Vorarlberg, zu. Die jüngste Podiumsteilnehmerin forderte außerdem, dass junge Menschen und deren Ideen ernstgenommen werden müssen, wenn man nicht riskieren will das Verhältnis der kommenden Generation zu Demokratie zu gefährden. Spürbares Mitgestaltungsrecht sei eines der wichtigsten Instrumente um junge Menschen für demokratische Prozesse zu begeistern: „Übergebt uns Verantwortung, dann übernehmen wir sie auch!“

Hubert Rhomberg, CEO der Rhomberg Holding ergänzte, dass die Bildung und damit die Möglichkeit zur Partizipation nicht vererbt werden dürfen, Stichwort Chancengleichheit für alle Kinder. Um die Demokratie in Österreich fair zu gestalten braucht es vor allem umfassende Transparenz. Nur wenn unterschiedliche Interessen – auch die der Wirtschaft – verstanden werden, können Sie die Bürgerinnen und Bürger eine Meinung bilden. Gleichzeitig plädierte er dafür, sich mehr für Werte als für Interessen einzusetzen und Verantwortung mit Entscheidungen zu verbinden.

Andreas Tögel, Unternehmer und Autor, sprach sich für eine Neustrukturierung der Demokratie aus. Durch die „Vermassung“ der Demokratie entstünden den Bürgern Nachteile wie Bevormundung der Bürger und Überbürokratisierung. Etablierte Entscheidungsprozesse dürfen sich nicht gegen den Willen der Bürger richten. Die Menschen müssen erfahren, dass sie mit ihrer Stimme etwas bewegen können, das solle vor allem in kleineren Strukturen stattfinden.

Barbara Blaha, Gründerin des Politkongresses Momentum und des Think Tanks Projekt 360, unterstrich die Wichtigkeit des sozialen Friedens für die Demokratie. Die Probleme unserer Demokratie würden sich zu einem großen Teil aus dessen Schieflage und der ungleichen Verteilung von Vermögen ergeben. Es sei eine Tatsache, dass mehr Geld mehr Einfluss bedeute, das konterkariere demokratische Prozesse. Die Förderung des sozialen Friedens ist daher von Interesse für die gesamte Gesellschaft.

Was die Kultur der Demokratie auf der europäischen Ebene betrifft, meinte Verena Ringler, dass uns zu wenig bewusst wäre, was für ein ambitioniertes und demokratisches Projekt die EU sei, und forderte gleichzeitig ein Neudenken der Europäischen Union, das über ein „mehr“ des Ist-Zustandes hinausgeht. Man müsse mehr Sensorium für gesellschaftspolitische Entwicklungen entwickeln, um nicht überrascht zu werden. Sie schlug der zukünftigen österreichischen Regierung vor, einen „Vertrag von Wien“ zu entwickeln, der auf brachliegenden Potenzialfelder wie Klima-, Stadt- und Digital-Diplomatie setzt.

Den Live-Stream zu den Impulsvorträgen und die gesamte „Kontroverse am Podium“ können Sie auf Facebook nachsehen.

Impressionen

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Stimme Elisabeth Aicher (Podiumsgast) – Was haben Sie mitgenommen?
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Stimme eines Teilnehmers – Was war überraschend?
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Stimme einer Teilnehmerin – Ist unsere Demokratie in der Krise?
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